Samstag, 11. Februar 2012

Eine totenstille Arena

Soap&Skin mit Ensemble live am 10. Februar in der Arena Wien

Auf meiner "Things-to-do-before-I-die"-Liste stand ganz oben "Anja Plaschg live sehen". Diesen Wunsch konnte ich mir endlich erfüllen. Denn Karten für ein Konzert zu bekommen ist normalerweise nicht grade einfach. Soap&Skin mag keine großen Hallen und somit auch keine großen Menschenmengen. Dass sie ihr neues Album "Narrow" also in der Big Hall in der ausverkauften Arena vorstellt ist durchaus untypisch. Und trotzdem konnte ich sie, dank meines kälteresistenten Willens von der Nähe aus erleben. Erste Reihe vor dem Flügel und die Kamera stand genau so, dass sie mir nicht die Sicht nahm. Es gibt schlimmere Plätze.

Nun ist man von Konzerten ja eigentlich eine etwas lautere Umgebung gewohnt. Dass diese an diesem Abend nicht herrschen würde, war schon klar, als die Künstlerin, von einer Kamera verfolgt, an den Wartenden vorbei in die Veranstaltungsstätte ging und statt einem Jubelsturm nur ehrfürchtige Stille unter den Konzertbesuchern herrschte. Vielleicht lag es aber auch nur an dem ohnehin etwas genervten Gesichtsausdruck den Anja trug (die übrigens kaum größer ist als ich).

Mit einer Verspätung von einer knappen halben Stunde schlich Anja schließlich auf die Bühne, und stellte einen Weihrauchbehälter an die äußerste Bühnenkante, als wolle sie mit dem Weihrauchduft einen gewissen Abstand zum Publikum schaffen. Diesmal wurde geklatscht und gejubelt, allerdings auch nur so lang bis der erste Ton erklang. Wenig später trat das Ensemble auf. Mit dabei: ein blondes Mädchen, das Anja auffallend ähnlich sieht. Ihre Schwester fungierte als erste Stimme im Chor. Tatsächlich habe ich es noch nie erlebt, dass während den Stücken das Publikum so still blieb. Es wurde geduldig bis auf das Ausklingen des letzten Tons gewartet bis man seiner Begeisterung lautstark Ausdruck verleihte. Und begeistert hat Soap&Skin. Die Ausdrücke "morbide Schönheit" "verstörende Zerbrechlichkeit" etc. wurden im Zusammenhang mit Anja schon viel zu oft genannt. Sie liegen vielleicht nahe aber trotzdem ist ihre Musik viel mehr als nur die konträre Erscheinung ihrer Schöpferin. Und machen wir uns nichts vor, Soap&Skin ist bei weitem keine mittelmäßige Musikerin, die eine solche Selbstdarstellung nötig hätte um ihre Musik hörbar zu machen. Im Gegenteil. Ihre Stimme und ihre unfassbares Können auf dem Klavier würden schon reichen um einen Hype um sie zu rechtfertigen.

Mir ist schon bewusst, dass viele Leute meinen Anja würde das ganze schauspielern. Und wenn man sie anfangs etwas orientierungslos über die Bühne schleichen sieht um sie später wütend schreiend auf den Boden spucken zu sehen, könnte man ja tatsächlich meinen, dass sie es nur so inszeniert, aber ganz ehrlich... ich hatte meine Zweifel an der Echtheit ihres Verhaltens, allerdings sind diese so gut wie weggeblasen. Ich glaube einfach, dass sie tatsächlich nicht recht weiß was sie tun soll wenn sie auf der Bühne steht. Dass sie mit dem Applaus nur schwer umgehen kann und sich gerade deswegen übetrieben viel Druck macht. Als sie sich bei "Cynthia" mehrmals verspielt unterbricht sie ihren Gesang immer wieder mit wütendem Gemurmel. Nach dem Lied, dessen kleine Verspieler wohl niemand gemerkt hätte, bedankt sie sich nicht wie normalerweise mit einem leisen "danke" sonder murmet neben das Mikrofon "Nein, nein. Fuck!".
Auch während "Vater" dem Lied, das sie für ihren kürzlich plötzlich verstorbenen Vater geschrieben hat, wird die ganz ungespielte Verzweiflung und Überforderung sichtbar. Mehrmals bricht sie nach den ersten Takten ab und es scheint jedes mal so, als würde sie überlegen, ob sie das Lied wirklich spielen sollte. Sie tut es. Nach dem Lied schaut sie ihre Schwester an und sagt so etwas wie "Das wollte er noch nicht", dann verschwindet sie kurz in die hinterste Ecke der Bühne. Als sie das nächste Lied anspielen will bricht sie wieder ab und sagt leise: "Das geht nicht. Entschuldigung.. nur ganz kurz". Sie geht wieder hinter die Bühne. Eine unsensible Besucherin ruft "Wir lieben dich trotzdem!", als wäre es ein Opfer jemanden trotz der Trauer um den Vater zu lieben. Als Anja zurückkommt schreit die selbe Stimme "Sie will das Licht weg!", worauf Anja mit einem leicht genervten "Nein!" antwortet.
Nach dem Konzert ist sie sichtlich erschöpft, vor der Zugabe sagt sie "Ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt noch geht". Aber es geht. Nachdem sie die letzten Töne gespielt hat schaut sie ins Publikum und lächelt. Schickt sogar einen Handkuss in die Menge und verschwindet.

Nach dem Konzert war zumindest ich nicht gerade in der Lage einen sinnvollen Satz zu bilden (Was das völlig verstrahlte Interview das ich einer FM4-Mitarbeiterin ins gelbe Mikrofon gestammelt habe vielleicht entschuldigt). Schlafen konnte ich auch nicht. Zwar habe ich versucht mich von den ruhigeren Stücken auf Narrow in den Schlaf wiegen zu lassen, doch je öfter man Narrow hört, desto mehr entdeckt man darin. Desto aufwühlender und in sich schlüssig erscheint das Minialbum als Gesamtkunstwerk. Noch heute, einen Tag später, bin ich immer noch nicht zu meiner alten Form zurückgekehrt. Und ist es nicht das, was Kunst bewirken sollte: Einen bleibenden Eindruck von Rührung, Wut und schlussendlich Leben. Als mich ein Freund zwei Tage vor dem Konzert fragte, was ich denn bloß an Soap&Skin fände, antwortete ich, dass sie das Leben perfekt in Musik umwandelt und es dabei noch nicht einmal reduzieren muss.

Mittwoch, 14. September 2011

Liebes letztes Schuljahr,

Du hast dir Zeit gelassen. Und so Leid es mir tut, das werde ich dir für ewig vorwerfen. Aber wir sind beide nicht unschuldig, das gebe ich zu. Ich wusste ab dem ersten Monat den ich in der HAK verbrachte, dass ich nicht falscher sein könnte. Na ja, ich will der Handelsakademie kein Unrecht tun, vielleicht wäre eine landwirtschaftliche Schule in der ich lernen muss wie man Tiere schlachtet noch unpassender gewesen. Dennoch war es eine unfassbar schlechte Wahl die ich zu einem viel zu frühen Zeitpunkt treffen musste.
Ich wundere mich immer noch, liebes letztes Schuljahr, dass wir uns jetzt schon treffen. Ich war die Faulheit in Person und jedes Jahr wieder überrascht in den Wirtschftsfächern versetzt zu werden. Richtig bewusst geworden, dass ich in absehbarer Zeit den ganzen unnützen Dreck tatsächlich lernen zu muss, gegen den ich mich die letzten vier Jahre gewehrt habe, ist mir das ganze erst letztes Semester. Und aus irgendeinem Grund brachte mich das nicht aus der Ruhe, was meiner Meinung nach die natrlichste Reaktion gewesen wäre, nein, ich war wütend, es nicht schon hinter mir zu haben und stattdessen noch ein halbes Jahr hinter diesen grauen Mauern mit den quietschorangefarbenen Türen verbringen zu müssen. Liebes letztes Schuljahr... du hast dir Zeit gelassen.
Es ist nicht so, als hätte ich das Gefühl, dass ich fünf Jahre meines Lebens verschwendet hätte nur weil ich auf dich gewartet habe. Nein, verschwendet hätte ich sie sowieso. Aber die Warterei auf dich hat es mir ziemlich schwer gemacht meinen Verstand dabei nicht restlos zu verlieren.
Ich bin der Meinung, dass ich lange genug auf dich gewartet habe. Ich habe vier Jahre (fast) stillschweigend ertragen, habe mich vier Jahre bei sämtlichen Wirtschaftslehrern unbeliebt gemacht und sie sich bei mir. Ich habe durchgehalten und ich weigere mich zu glauben, dass du, liebes letztes Schuljahr, mir die Kraft für die Matura aussaugst. Dafür hast du mich zu lange warten lassen. Du hast mich abgehärtet. Ich nehme den Kampf gegen deinen letzten Versuch Kapitalismus, Ausbeutung, Spekulation und Gier zu glorifizieren auf. Ich bin bereit dich so sehr zu hassen, dass ich dich so schnell wie möglich loswerden will.

Donnerstag, 2. Juni 2011

Ich hab was gefunden

http://www.gruenejugendbaden.at/archives/441

Damit hab ich einen Preis gewonnen und wusste bis eben nicht, dass der Text online ist. Nun ja. Da ist er.

Samstag, 23. April 2011

Es ist fies...

wenn man neben einer solchen Engelsstimme Solo singt. Ich bin die, die anfängt, und der schon bei der ersten Phrase die Luft ausgeht.

Donnerstag, 7. April 2011

Aus einem Deutschaufsatz

(...)

Ich bin wirklich kein pessimistischer Mensch, ich glaube an das Gute im Menschen und wenn ich es einmal nicht auf Anhieb finde, suche ich wie eine Besessene danach. Doch man wird müde. Vor allem dann, wenn man schon bei sich selbst in manchen Situationen keinen Funken Gutes mehr erkennen kann. Denn nicht nur das Suchen macht müde, sondern auch der Versuch seine Hoffnung immer wieder neu aufzubauen und sie nicht sofort wieder von der erstbesten Meldung in den Nachrichten umreißen zu lassen. Vielleicht fehlt es vielen einfach nur an dieser Kraft. Vielleicht sind wir alle einfach viel zu wenig zäh. Oder es ist wieder nur meine optimistische Sicht der Dinge, und die Realität sieht ganz anders aus. Vielleicht ist es keine Hilflosigkeit und Kraftlosigkeit. Sondern einfach nur Egoismus.

Deshalb denke ich, dass Egoismus die wahre achte Todsünde ist. Und diese nimmt immer größere Ausmaße an. Doch wenn wir Menschen eines gewohnt sind, dann die Machtlosigkeit. Und so stehen wir eben diesmal der Gedankenlosigkeit und dem Egoismus unserer eigenen Spezies machtlos gegenüber.

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Lieber Herr E.,

Wenn Sie uns mehr solcher Themen geben würden, dann würde aus dem verlangten 500-Wörter-Aufsatz auch schon mal öfter ein 1.000-Wörter-Aufsatz werden. Denken Sie mal drüber nach, ob Sie tatsächlich so viel korrigieren wollen.

Sonntag, 3. April 2011

Versuch mich glücklich zu machen.

Schreiben macht mich glücklich. Ich denke es bedarf nicht viel um das zu merken. Ich liebe es mit Wörtern so lange zu spielen bis sie dieses bestimmte Gefühl vermitteln. Ob das nun ein angenehmes Gefühl ist oder nicht ist mir relativ egal. Denn etwas, von dem man ständig umgeben ist, so zu drehen, dass man es nicht mehr als selbstverständlich ansieht, ist alleine schon mein Ziel. Demnach liebe ich es natürlich auch zu lesen. So lange bis da ein Satz steht der mich dermaßen beeindruckt, dass ich nach Luft ringend auf die betreffende Seite starren muss. Sprache kann alles mit mir machen. Ich vertraue ihr. Sie enttäuscht mich nicht und sie lässt mich immer wieder zu ihr, egal wie lange ich sie vernachlässigt habe. Es gibt kaum eine Situation in der Schule, in der ich mich wohler fühle, als bei dem Schreiben einer Deutscharbeit. Meine Sitznachbarn sind durch hässliche gelbe Trennwände von mir abgeschottet, es herrscht völlige Stille nach außen, nur in meinem Kopf spielen sich Träume ab. Unser Deutschlehrer gibt meist sehr seichte Themen die eigentlich nicht viel hergeben. Und trotzdem koste ich den Moment diesen ungestörten Schreibens völlig aus. Zwei Stunden im Semester in denen ich mich in der Schule wohlfühle. Die müssen genossen werden.
Dass das Schreiben in der Schule mich natürlich nie im Leben so glücklich machen kann wie das Niederschreiben von Gedanken mitten in der Nacht in meinem Zimmer ohne Zeitlimit, ohne Vorgaben. Nur ein Blatt, ein Stift und ich.
Ich habe vor kurzem ein Interview mit meinem liebsten, noch lebenden, österreichischen Autor Thomas Glavinic gehört. Er wurde auf sein selbstzerstörerisches Verhalten angesprochen. Seine Antwort war unfassbar egoistisch und doch so nachvollziehbar. Er erklärte, dass er im Schreiben die einzige Bremse beim Trinken, Rauchen und Co sieht. Er hat eine Frau und ein Kind, und die könnten ihn, so schlimm es auch klingen mag, niemals so von seinen schlechten Angewohnheiten abhalten, wie die Angst davor, nicht mehr zu schreiben zu können. Es ist traurig, wenn ein Vater, Mann, Sohn und Freund keine bessere Motivation für ein halbwegs gesundes Leben findet als das Schreiben. Und trotzdem zeigt es diese unglaubliche Macht die von Sprache ausgeht. Deutsch ist keine schöne Sprache zum sprechen. Sie klingt hart, forsch und immer etwas überheblich. Aber ihr schriftbild, ihre Wörter auf dem Papier, ist wunderschön. Und ich finde, dass sie zu wenig wert geschätzt wird. Auch von mir. Denn wenn ich mir überlege wie viel mir all diese kleinen Wörter und Sätze geben, bin ich wirklich nicht mehr als ihnen schutzlos ausgeliefert.

Samstag, 5. März 2011

Kartenhäuser und Wind

Ich hab die Nase voll davon in Kartenhäusern zu wohnen. Mir ständig Sorgen zu machen wann sie zusammenfallen und wie viel Schaden sie anrichten werden. Ich will auf der Stelle so kaputt sein, wie ich es nur werden kann. Dann hab ich es hinter mir.
Die hinterlistigen kleinen Windstöße sollen alle auf einmal auf mein Kartenhaus einprasseln. Damit ich endlich weiß, wie ich es aufbauen muss, damit es nicht mehr so leicht umfällt.